19.10.2008 | 14:54 | Korrekturen und Ergänzungen | Presse und Medien

Noch mehr Rezensionen

Morgen geht es hier auch wieder weiter mit nützlichen Informationen zum Thema statt purer Selbstbeweihräucherung, aber heute muss ich erst meinen Rezensionsspeicher leeren:

Lasst uns öfter mal was Neues machen! (Christian Geyer, FAZ). Sascha machte Christian Geyer daraufhin auf der Buchmesse einen Heiratsantrag, aber Geyer ist bereits verheiratet.

Stefan Niggemeiers Rezension in der FAZ: "Ein bisschen trübt es den Lesegenuss natürlich, wenn man – wie ich – Sascha Lobo ganz gut persönlich kennt (er verbrachte viele Stunden kaffeetrinkend in meinem Büro und schob das Aufschieben eines Buches über das Aufschieben auf). Nach den vielen Seiten, wie man perfekt prokrastiniert, bleibt das Kapitel darüber, wie man mit anderen Prokrastinierern umgeht, enttäuschend vage. Bis Mitte August wollte Lobo ein Konzept für ein gemeinsames Projekt fertig haben. Aber bis morgen, sagt er, schaffe er es auf jeden Fall."

Bei zeitspuk.de kritisiert julian: "Zugegeben, ich hatte anderes erwartet. Ein bisschen mehr gesellschaftliche Relevanz etwa, schließlich sind so manche kulturelle Errungenschaften wie die Wikipedia das fast auschließliche Ergebnis von massenhafter Prokrastination." Das ist die erste Kritik, die schmerzt, denn natürlich hat julian vollkommen recht. Ich weiß auch nicht, wie wir ausgerechnet die Wikipedia zu erwähnen vergessen konnten, aber wir haben das in einigen Interviews seither nachgeholt.

Unsere schöne erste Amazonrezension von Christian Fischer: "Oh, ich wollte ja noch eine Rezension über das neue Buch von Sascha Lobo schreib". Zwei weitere Rezensionen sind inzwischen aufgetaucht, deren Autoren bereitwillig zugeben, das Buch gar nicht gelesen oder auch nur gekauft zu haben. So lange solche Rezensenten nicht unter drei Sterne vergeben, wollen wir darüber nicht klagen.

Und DieWucht twittert: "Schmerzensgeld von @kathrinpassig und @saschalobo wg. Nebenwirkungen ihres Buchs verlangen? Schlaflosigkeit und Zeug wegarbeiten 24h nonstop" Das macht jetzt (zusammen mit den beiden aus dem ersten Rezensionsüberblick) schon drei Leser, bei denen das Buch paradoxe Wirkungen zeitigt.

Außerdem: Lob der Lobos (Uwe Justus Wenzel, NZZ Online); Bleistift und Notiz-Blog

17.10.2008 | 09:27 | Blog und Buch

Im Anfang

Eine der schönsten, wenn nicht die schönste Passage im Buch hat natürlich Kathrin geschrieben – ich möchte generell mal anmerken, dass das gar nicht so leicht ist, mit ihr ein Buch zu schreiben und sie kommt dauernd mit superen Texten an und setzt einen damit schlimm unter Druck – und zwar handelt es sich um eine Art Intro. Meine Lieblingsstelle im Buch also. Die von Rowohlt zu einem kleinen Film verarbeitet wurde, siehe nebenstehend. Ich bemerke übrigens anhand dieses Clips, dass das Hör- und Lesebuch oder vielmehr der Lesefilm ein interessantes Medium sein könnte. Lesefilme mit parkerlewisesken Soundeffekten, aus diesem Holz sind doch die Instrumente geschnitzt, mit denen man die Jugend wieder ans Buch bindet!

16.10.2008 | 14:42 | Berichte und Beispiele

Der Kaiser von China

Tilman Rammstedts eigentlich für Juli oder August angekündigtes Buch "Der Kaiser von China" scheint jetzt tatsächlich fertig zu sein, zumindest habe ich es vorhin am Buchmessenstand des Dumont Verlags gesehen. (Kann natürlich sein, dass innendrin nur leere Seiten waren; ich hatte es eilig und konnte nicht nachsehen.) Jetzt ist es also vermutlich nicht mehr zu früh, diese Prokrastinationsstelle aus den Fahnen zu zitieren:

"Und in der Tat ist es schwer vorstellbar, dass er nun tatsächlich tot sein soll, dass er sein Leben vollständig zu Ende gebracht hat, weil er sonst nie etwas zu Ende brachte. Früher, als es noch Großmütter gab, manche im passenden Alter, manche nur wenige Jahre älter als wir, hatten sie ihn, eine nach der anderen und in fast identischen Worten, immer wieder dazu aufgefordert, doch in aller Herrgottsnamen endlich einmal etwas fertig zu machen, die Steuererklärung, die seit Jahren unbeabsichtigt zweifarbige Pergola, das Puzzle auf dem Wohnzimmertisch, das uns schon gar nicht mehr auffiel, oder zumindest den Namen für die Katze. 'Friedrich oder Vincent' steht bis heute auf ihrem Holzkreuz im Garten. Mein Großvater nickte dann stets einsichtig, sortierte ein paar Quittungen oder legte einen Puzzlestein an, dann suchte er sich schnell eine neue Aufgabe, die verkalkte Kaffeemaschine, das verhedderte Telefonkabel, Glückwunschkarten für noch längst nicht nahende Geburtstage, irgendetwas, von dem er behaupten konnte, dass es nun wirklich dringender sei. Und weil mein Großvater natürlich auch diese neuen Tätigkeiten nicht zu Ende führte und sich als Ausrede dafür noch neuere suchen musste, bestand das ganze Haus, das ganze Leben meines Großvaters aus Anfängen, überall stieß man auf aufgeschlagene Bücher, auf angebissene Brötchen, einzelne Schuhe, hörte Geschichten, die mitten im Satz, mitten im Wort abbrachen, immer noch standen die Namen fast aller vergangenen Großmütter auf unserem Briefkasten, und manchmal, wenn er angekündigt hatte, jetzt schlafen zu gehen, traf man ihn eine halbe Stunde später mitten im Flur stehend an. 'Ich bin auf dem Weg', sagte er dann schnell."
(Tilman Rammstedt: "Der Kaiser von China", Dumont 2008)

15.10.2008 | 09:28 | Berichte und Beispiele

Indische Zeit

Wir strapazieren das schöne Buch "Eine Landkarte der Zeit" viel zu oft, aber es sind einfach so viele interessante, zitierenswerte Stellen drin. Zum Beispiel dieser Bericht des New Yorker Psychoanalytikers Neil Altman über seinen Aufenthalt in Südindien:

"Im zweiten Jahr ließ ich locker und begriff endlich, wie man in einem indischen Dorf leben muss. Da es keine Telefone gab, stand ich oft morgens auf und fuhr mit dem Rad sieben oder acht Kilometer, um einen bestimmten Bauern zu treffen. Wenn ich ankam, stellte ich häufig fest, dass er nicht da war. Manchmal wurde er auch 'bald' zurückerwartet, und das konnte gut und gerne bedeuten, dass er erst am nächsten Tag wiederkam. Im zweiten Jahr verspürte ich bei solchen Vorfällen keine Enttäuschung mehr, weil ich im Grunde schon gar nicht mehr damit rechnete, überhaupt irgend etwas zu erreichen. Es war geradezu eine erheiternde Vorstellung geworden, man könne tatsächlich das erledigen, was man hatte erledigen wollen. Statt dessen setzte ich mich einfach in das Teehaus des Dorfes, lernte neue Menschen kennen oder betrachtete die Kinder, die Tiere und alles, was gerade vorbeikam. Dann geschah manchmal etwas anderes, was ich eigentlich nicht vorgehabt hatte. Manchmal auch nicht. Jegliche Arbeit, die tatsächlich erledigt werden wollte, kam von selbst auf mich zu. (Hervorhebung KP) In meinem zweiten Jahr hatte ich die indische Zeit verinnerlicht."

(Robert Levine: "Eine Landkarte der Zeit", S. 267)

14.10.2008 | 16:15 | Berichte und Beispiele

Douglas Adams und die Prokrastination

Piers Steel ist (unter anderem) Prokrastinationsforscher an der Universität Calgary und Autor einer der lesenswertesten Studien zum Thema: "The Nature of Procrastination". Auf seiner Website Procrastination Central findet sich z.B. ein Fragebogen zum Messen der eigenen Prokrastinationsneigung, eine Sammlung von Prokrastinationszitaten und dieses Fallbeispiel:

"Surprising for a professional writer, Douglas Adams' ability to avoid writing was described as 'legendary.' Despite accruing nine books to his name before his death on May 11, 2001, he hated writing. Cups of tea, baths, and days in bed were his ways of putting off. He never overcame procrastination himself, but required publishers and editors to lock him in rooms and glower at him until he produced. This is not an exaggeration according to Adams or his friend Steve Meretzky. As Steve puts it, 'Douglas has raised procrastination to an art form. Hitchhikers Guide would never have gotten done if I hadn't gone over to England and virtually camped out on his doorstep.'

(...)

Sadly, Douglas Adams' procrastination robbed us of a tenth book, The Salmon of Doubt. For over ten years, he had promised delivery but died before even finishing a first draft. Like Coleridge, fragments of it remain, but not enough to piece together a coherent novel.

The major reason for Adams' chronic delaying appears to be task aversiveness. Though he was an able writer and extremely creative, he found putting pen to paper unpleasant. He put it off as long as possible, and then produced in a frantic rush when eventually necessary. With his wealth from this earlier bestsellers, it became increasingly less necessary and these delays stretched into years."


Mehr zu diesem Thema könnte man wohl dem Buch "Don't Panic" von Neil Gaiman entnehmen, wenn man es nicht verliehen, verlegt oder verschenkt hätte. Falls es wieder auftaucht, reiche ich die Details nach.

13.10.2008 | 08:40 | Presse und Medien

Interview im "Standard"

Dieses per Mail geführte Interview ist wohl in den letzten Wochen im österreichischen "Standard" erschienen. Weil es online nicht verfügbar zu sein scheint, hier noch mal für die Nichtösterreicher:

Wie kommts, dass Sie so schnell auf Mails antworten, obwohl Sie doch Verfechter der Aufschieberei sind? Oder täuschen wir uns mit dieser Einschätzung?
KP: Das täuscht, ich beantworte Mails normalerweise erst nach Wochen oder gar nicht. Sie hatten lediglich Glück, dass ich gerade dringend andere Dinge aufschieben musste und deshalb froh über jede neue Mail war, die ich stattdessen beantworten konnte.

Ist Prokrastination Luxus oder Lebenseinstellung? Bestimmte Berufsgruppen tun sich, denken wir, ein bisschen schwer mit Aufschieben – Notärzte zum Beispiel oder Feuerwehrleute? Oder verlagert sich Prokrastination dann in den privaten Bereich?
KP: Prokrastination ist vor allem eine Frage der Rahmenbedingungen. Auch hartgesottene Aufschieber tun sich nicht schwer damit, ein brennendes Haus zeitnah zu verlassen. Wenn man zum Aufschieben neigt, ist man daher in Berufen voll dringender Deadlines sogar sehr gut aufgehoben. "Eine Tageszeitung ist eine betreute Werkstätte für Prokrastinierer", sagt eine unserer Interviewpartnerinnen.

Wie kann man überhaupt ein Buch über Prokrastination schreiben, ohne sämtliche Deadlines zu überschreiten?
SL: Mit glaubwürdigen Deadline-Kaskaden und einem über die Jahre fein austarierten, gegenseitigen Motivationssystem. Es beruht auf einer Mischung aus Drohungen und Komplimenten über die tollen, bereits entstandenen Texte. Dazu kommen Ritalin, Koffein und kleinere Streits von Zeit zu Zeit. Dann hat man eine solide 50-Prozent-Chance, mehr kann man nicht erreichen.

Ist Prokrastination nicht in gewisser Weise Masochismus? Die Lust an der Panik? Einhergehend mit schlechtem Gewissen?
KP: Das schlechte Gewissen scheint zwar weder beim Masochismus noch bei der Prokrastination eine luststeigernde Rolle zu spielen, aber die stimulierende Wirkung von Krisensituationen wird in beiden Branchen geschätzt. Wahrscheinlich ist es aber nicht direkt eine "Lust an der Panik", die den Prokrastinierer in den Stunden vor der Deadline antreibt, sondern eher die stressbeflügelte Konzentrationsfähigkeit. Auch Masochisten beschreiben oft die größere Konzentration als lustvoll – also eher eine indirekte Wirkung der Angst.

Wie bekämpft man das schlechte Gewissen?
SL: Indem man erkennt, dass es häufiger aus überzogenen Selbstansprüchen und schlechter Kommunikation mit Dritten entsteht als aus den Versäumnissen selbst. Es kann nicht schaden, die Erwartungen an sich selbst auf ein Minimum oder darunter zu senken und sich dann über alles zu freuen, was doch zufällig irgendwie gelingt. Menschen mit hartnäckigen Gewissensbissen sollten untersuchen, ob nicht eventuell ungünstige Bedingungen vorliegen, mit denen sowieso kaum voranzukommen ist. Das ist eigentlich immer der Fall.

Und: Wann hört sich der Spaß auf?
SL: Wahrscheinlich, wenn andere Menschen, denen man nicht aus dem Weg gehen kann, schweren Schaden nehmen. Aber auch dann gilt, dass sich beide Parteien auf die Situation einstellen müssen. Ein Mann kann nicht ernsthaft zum 50. Mal ausrasten, weil seine Frau irgendetwas vergessen hat. Irgendwann ist klar, dass man eine andere Lösung finden muss, als ständig so zu tun, als hätte man mit bekannten Schwächen nicht gerechnet.

Was kann man ewig aufschieben?
KP: Erstaunlich vieles. Um herauszufinden, welche Tätigkeiten sich dafür eignen, schiebt man sie am besten ewig auf und wartet ab, was passiert.

Zu welchem Schluss kommen Sie in Ihrem Buch?
SL: Wir kommen zu dem Schluss, dass [hier muss noch ein guter Schluss hin, aber ein anderer als im Buch, sonst kauft das ja keiner mehr].

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