13.10.2008 | 08:40 | Presse und Medien

Interview im "Standard"

Dieses per Mail geführte Interview ist wohl in den letzten Wochen im österreichischen "Standard" erschienen. Weil es online nicht verfügbar zu sein scheint, hier noch mal für die Nichtösterreicher:

Wie kommts, dass Sie so schnell auf Mails antworten, obwohl Sie doch Verfechter der Aufschieberei sind? Oder täuschen wir uns mit dieser Einschätzung?
KP: Das täuscht, ich beantworte Mails normalerweise erst nach Wochen oder gar nicht. Sie hatten lediglich Glück, dass ich gerade dringend andere Dinge aufschieben musste und deshalb froh über jede neue Mail war, die ich stattdessen beantworten konnte.

Ist Prokrastination Luxus oder Lebenseinstellung? Bestimmte Berufsgruppen tun sich, denken wir, ein bisschen schwer mit Aufschieben – Notärzte zum Beispiel oder Feuerwehrleute? Oder verlagert sich Prokrastination dann in den privaten Bereich?
KP: Prokrastination ist vor allem eine Frage der Rahmenbedingungen. Auch hartgesottene Aufschieber tun sich nicht schwer damit, ein brennendes Haus zeitnah zu verlassen. Wenn man zum Aufschieben neigt, ist man daher in Berufen voll dringender Deadlines sogar sehr gut aufgehoben. "Eine Tageszeitung ist eine betreute Werkstätte für Prokrastinierer", sagt eine unserer Interviewpartnerinnen.

Wie kann man überhaupt ein Buch über Prokrastination schreiben, ohne sämtliche Deadlines zu überschreiten?
SL: Mit glaubwürdigen Deadline-Kaskaden und einem über die Jahre fein austarierten, gegenseitigen Motivationssystem. Es beruht auf einer Mischung aus Drohungen und Komplimenten über die tollen, bereits entstandenen Texte. Dazu kommen Ritalin, Koffein und kleinere Streits von Zeit zu Zeit. Dann hat man eine solide 50-Prozent-Chance, mehr kann man nicht erreichen.

Ist Prokrastination nicht in gewisser Weise Masochismus? Die Lust an der Panik? Einhergehend mit schlechtem Gewissen?
KP: Das schlechte Gewissen scheint zwar weder beim Masochismus noch bei der Prokrastination eine luststeigernde Rolle zu spielen, aber die stimulierende Wirkung von Krisensituationen wird in beiden Branchen geschätzt. Wahrscheinlich ist es aber nicht direkt eine "Lust an der Panik", die den Prokrastinierer in den Stunden vor der Deadline antreibt, sondern eher die stressbeflügelte Konzentrationsfähigkeit. Auch Masochisten beschreiben oft die größere Konzentration als lustvoll – also eher eine indirekte Wirkung der Angst.

Wie bekämpft man das schlechte Gewissen?
SL: Indem man erkennt, dass es häufiger aus überzogenen Selbstansprüchen und schlechter Kommunikation mit Dritten entsteht als aus den Versäumnissen selbst. Es kann nicht schaden, die Erwartungen an sich selbst auf ein Minimum oder darunter zu senken und sich dann über alles zu freuen, was doch zufällig irgendwie gelingt. Menschen mit hartnäckigen Gewissensbissen sollten untersuchen, ob nicht eventuell ungünstige Bedingungen vorliegen, mit denen sowieso kaum voranzukommen ist. Das ist eigentlich immer der Fall.

Und: Wann hört sich der Spaß auf?
SL: Wahrscheinlich, wenn andere Menschen, denen man nicht aus dem Weg gehen kann, schweren Schaden nehmen. Aber auch dann gilt, dass sich beide Parteien auf die Situation einstellen müssen. Ein Mann kann nicht ernsthaft zum 50. Mal ausrasten, weil seine Frau irgendetwas vergessen hat. Irgendwann ist klar, dass man eine andere Lösung finden muss, als ständig so zu tun, als hätte man mit bekannten Schwächen nicht gerechnet.

Was kann man ewig aufschieben?
KP: Erstaunlich vieles. Um herauszufinden, welche Tätigkeiten sich dafür eignen, schiebt man sie am besten ewig auf und wartet ab, was passiert.

Zu welchem Schluss kommen Sie in Ihrem Buch?
SL: Wir kommen zu dem Schluss, dass [hier muss noch ein guter Schluss hin, aber ein anderer als im Buch, sonst kauft das ja keiner mehr].