22.10.2008 | 12:53 | Tipps und Tools

Unwohltätige Organisationen

Einer der wenigen praktischen Ratschläge, die wir zur Bewältigung von Deadlineproblemen finden konnten, stammt aus "Schluss mit dem ewigen Aufschieben" von Werner Rückert und lautet: "Geben Sie einen Geldbetrag, dessen Verlust Sie schmerzen würde, an eine Person, der Sie vertrauen, und machen Sie mit ihr einen Vertrag. Schreiben Sie genau auf, welches Ergebnis Sie bis zu welchem Zeitpunkt in einer genau überprüfbaren konkreten Form dieser Person Ihres Vertrauens vorlegen wollen. Dritteln Sie das Vorhaben, wenn es umfangreich ist. Wenn Sie es schaffen, bekommen Sie ein Drittel Ihres Geldes zurück. Wenn nicht, überweist Ihr Vertrauter vor Ihren Augen das Geld an eine Organisation, die Ihnen verhasst ist und deren Ziele Sie verabscheuen."

Letzteres verhindert, dass man sich das Deadlineversagen heimlich mit dem Argument schönredet, wenigstens profitierten "Amnesty International" oder "Ärzte ohne Grenzen" von der eigenen Unfähigkeit. So schön das zunächst klingt, deutet in der Fachliteratur leider einiges darauf hin, dass von dem Verfahren in erster Linie die verhassten Organisationen profitieren werden: Im Experiment wie in der Praxis haben sich finanzielle Anreize bisher als nicht sehr erfolgreich erwiesen.*

Wer es trotzdem ausprobieren möchte, hat bei stickK die Wahl zwischen Wohltätigkeitsorganisationen einerseits und "Anti-Charities" wie der NRA andererseits. Dort kann man auch die Vorsätze anderer stickK-Nutzer ( "stop looking at porn", "no more dessert") nachlesen. Ob diese Pläne zum von stickK beworbenen Ziel ("achieve your dreams and live a life you love") führen, je nun, man steckt ja nicht drin. Falls ich mich dort anmelde, dann jedenfalls mit dem guten Vorsatz, mehr Pornos anzusehen und dabei reichlich Nachtisch zu essen.

* Nachtrag: Ich sehe gerade in unserem eigenen Buch, dass es da auf S. 202 heißt, finanzielle Anreize könnten helfen, die Erschöpfung der Selbstregulationsfähigkeit hinauszuzögern. Sobald ich noch mal in die Quellen gesehen habe, hier mehr zur Frage: Geld als Motivation, wann hilft es, wann hilft es nicht?

20.10.2008 | 10:58 | Tipps und Tools

Weltvereinfachung: Handyporto

Im Buch heißt es: "Niemals Sonderangebote oder Großpackungen kaufen, die mehr als das enthalten, was man gerade braucht, ganz egal, wie viel billiger sie sind. Jedem LOBO stehen drei individuelle Ausnahmen von dieser Regel zu, die seine schlimmsten Probleme lindern, unsere Empfehlung wären Glühbirnen, Briefmarken und Mülltüten."

Für die nächste Überarbeitung wird man sich einen Ersatz für den Briefmarken-Vorschlag ausdenken müssen, denn inzwischen hat die Post das Handyporto eingeführt: SMS mit "Karte" oder "Brief" an die 22122 schicken, zurück kommt eine SMS mit einer zwölfstelligen Nummer drin, die oben rechts auf den Brief oder die Karte geschrieben wird (3 Zeilen à 4 Zahlen), fertig. Natürlich ist das Verfahren etwa doppelt so teuer wie normale Briefmarken, aber dieser Nachteil wird durch die eingesparte Briefmarken-Suchzeit wieder ausgeglichen. Schön wäre, wenn man neben "Brief" und "Karte" auch noch "Blindensendung (Nachnahme eigenhändig) international" und andere Portoprobleme auf dieselbe Art lösen könnte, aber wir wollen mal nicht undankbar sein. Für alle außer den Briefmarkensammlern ist die Welt gerade ein bisschen besser geworden.

Ergänzung: Fabian Pittroff weist mich darauf hin, dass das Handyporto leider derzeit nur mit T-Mobile, Vodafone und E-Plus funktioniert.

10.10.2008 | 17:07 | Tipps und Tools

Dinge regeln lassen

"Ein Stapel Probleme, der einen vorwurfsvoll anstarrt, meint das meistens gar nicht persönlich: Die Probleme wollen einfach nur von irgendjemandem gelöst werden. Es reicht auch, jemand anderen damit zu beauftragen. Zu jeder Aufgabe, mit der man sich herumquält, existiert jemand, dem genau diese Tätigkeit Spaß macht oder der zumindest viel weniger unter ihr leidet. Es gibt Menschen, die – unter bestimmten Bedingungen – gern putzen, aufräumen, Ordnungssysteme ausdenken, Termine vereinbaren und Papiere in Aktenordner sortieren. Man muss sie nur ausfindig machen und dann dazu bewegen, einem diese Arbeiten abzunehmen. Dazu hat man im Großen und Ganzen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Geld und Tauschgeschäfte."
(Kapitel "Jetzt helfe ich mir nicht mehr selbst")

In den USA scheint es etwas leichter zu sein, Dienstleister für die Geld-Variante zu finden. In Deutschland kann man danach lange suchen. Es sei denn, man lebt in Berlin, wo es Freerke de Buhr gibt. Neulich rief sie mich von sich aus an und fragte, ob sie nicht langsam mal meine unsortierte Zettelsammlung für die Steuer aufbereiten sollte. Wer also in Berlin lebt und sein Leben in Ordnung bringen lassen möchte: freerke.de_buhr@web.de, 030 / 440 411 97 oder 0179 / 46 222 12. (Für Münchner können wir eventuell auch was einfädeln.) Tipp: Ein paar Stunden Lebeninordnungsbringung eignen sich auch gut als Geschenk insbesondere für Menschen, die schon alles haben, und zwar so viel davon, dass die Tür kaum mehr aufgeht.

22.09.2008 | 15:24 | Tipps und Tools

Prokrastination im Weltall

"Qualitativ hochwertiges Prokrastinieren ist nicht einfach. Der Zeitvertreib darf einerseits nicht zu stupide sein (Sand in Flaschen füllen und wieder ausleeren), andererseits auch nicht zu kompliziert (Space Shuttle zusammenbauen), und er soll Anstand und Würde besitzen (also nicht "HOT or NOT" o.ä.). Man möchte einen kompetitiven Anreiz haben, ausserdem sozial eingebunden sein und – das ist meist die grösste Hürde – man will sich einreden können, etwas Sinnvolles getan zu haben in den ganzen vertrödelten Tagen. Sonst kann man am Ende hinterher nicht schlafen, und wach im Bett liegen ist sehr schlechte Prokrastination (jedenfalls alleine). Dies als allgemeine Einleitung zum Zeittotschlagen."

So beginnt der Riesenmaschine-Beitrag "Nebenbei durchs Weltall" von Aleks Scholz, auf den wir hier anlässlich der gerade stattfindenden dotastronomy-Konferenz ("Conference on Networked Astronomy and the New Media") noch einmal hinweisen wollen. Im zweiten Teil des Beitrags erfährt man mehr über "die Optimallösung zur Vermeidung von richtiger Arbeit" unter Zuhilfenahme von Galaxien.

15.09.2008 | 16:58 | Korrekturen und Ergänzungen | Tipps und Tools | Berichte und Beispiele

Only Disconnect

Es gibt diverse Tools da draußen, die einen vorübergehend vom Internet und anderen Ablenkungen trennen und so arbeitsfähig machen sollen: Freedom oder WriteRoom zum Beispiel. Das Problem dieser zunächst einleuchtenden Idee beschreibt "nostrademons" bei Hacker News:

"I've found that it never works long-term. Your habits just adjust to the new situation. Every year ('cept the last couple, when I've been working) I go on vacation for 2-3 weeks to my parents' summer cottage, where there is no Internet access, no cell reception, not even a touch-tone phone. I find that I'm super productive for about the first 3 days, and then I end up playing a lot of Hearts.

Without the different environment, the effect is even shorter-lived. I had a paper due once in college. Knowing that I wasn't about to do it, I handed my Ethernet cord to a friend and said 'Don't let me have this back until tomorrow.' And – as ridiculous as the article suggests it is – I sat at my desk doing absolutely nothing all night. Really. I was basically staring off into space the whole time.

The only thing that seems to work for me is to make whatever I'm working on significantly more fun than what I should be doing. So for example, I got a ton done on my startup between 3/15 and 4/10 because I said "Okay, I'll just put off my taxes until after my startup's in better shape." And then my taxes got done with no fuss because I was really burned out from all that coding, and filling out a few tax forms actually seemed more enjoyable than writing another line of code. This is another plus of living with parents: they give you chores, so you can say 'Yeah, I'll run to the post office for you, just let me finish this feature.'

BTW, I didn't quit watching TV by any conscious act of willpower; I quit because I got addicted to MMORPGs. And then I quit MMORPGs because I got addicted to Starcraft, and then I quit StarCraft because I got addicted to HP fanfiction, then I quit fandom because I got addicted to computer websites. A distraction never seems to go away until you find something to replace it with."


Falls jemand eine Übersetzung braucht, bitte Bescheid sagen.

02.09.2008 | 09:36 | Blog und Buch | Tipps und Tools

6 einfache Übungen

1. Auch mal ein Getränk zwei Jahre vor Ablaufdatum austrinken. Schon hat man eine Aufgabe lange vor der Deadline erledigt.
2. Auf Bahngleisen sitzen oder liegen. Rechtzeitig aufstehen, bevor der Zug kommt. Diese Übung vermittelt ein Gefühl für das Tempo, in dem die Deadline herannaht, auch wenn vorher lange Zeit gar nichts passiert ist.
3. Aus den Briefkästen der Nachbarn amtlich aussehende Schreiben fischen und öffnen. Die Wirkung ist die einer Desensibilisierungstherapie gegen Heuschnupfen: Schon wenige Jahre später kann man auch Post aus dem eigenen Briefkasten öffnen.
4. Einige Kabel wohlgeordnet in eine Tasche legen. Eine Stunde abwarten, die Tasche wieder öffnen. Den entstandenen Kabelsalat betrachten und dabei über die Sinnlosigkeit menschlichen Ordnungsstrebens meditieren.
5. Zeitungen Seite für Seite ins Altpapier geben, um so zu erlernen, wie man eine größere Aufgabe in übersichtliche Einheiten zerlegt.
6. Den perfekten Mord planen, dann kurz vor der Ausführung darauf verzichten. Darüber nachdenken, dass Untätigkeit Leben retten kann.

(Aus dem Buch gestrichen)

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