07.01.2010 | 13:57 | Korrekturen und Ergänzungen

"Mit Leib und Seele" I

Ein Buch, von dem ich mir sehr wünsche, ich hätte es vor dem Schreiben von "Dinge geregelt kriegen" entdeckt, ist das schon 1999 erschienene "Mit Leib und Seele – Theorie der Haushaltstätigkeit" des französischen Soziologen Jean-Claude Kaufmann. Den Hinweis auf das Buch verdanke ich Michael Rutschky, und es geht darin um so vieles, was ich gern verwertet oder zitiert hätte, dass ich ersatzhalber in den nächsten Tagen eine kleine Zitatserie daraus machen werde.

Es geht los mit Wegwerfproblemen:

"Irénée versteht nicht so recht, warum es ihr so schwer fällt, sich von den alten Sachen zu trennen: 'Das ist wirklich immer eine schreckliche Arbeit, es fällt mir immer total schwer, mich zu einer Entscheidung durchzuringen, das bereitet mir wirklich Kopfzerbrechen. Und dann nehme ich eins ums andere in die Hand, und schon fallen mir die ganzen Geschichten dazu ein.' Dass die Trennung so problematisch ist, liegt daran, dass dieser alte Gegenstand einen Teil unseres Selbst in sich trägt – und es ist ja nur selbstverständlich, dass es einem schwerfällt, sich von sich selbst zu trennen. Das Ausmisten vertrauter Dinge verweist auf ein identitäres Sortieren, was erklärt, warum es eine solche mentale Schwerstarbeit darstellt." (S. 46-47)

04.01.2010 | 23:02 | Korrekturen und Ergänzungen

Wollen und Mögen

Wir haben uns im Buch um eine entscheidende Frage gedrückt, die zum Glück auch in den nachfolgenden Interviews nur ganz selten gestellt wurde: Wieso ist es oft so schwer, das zu tun, was man eigentlich wirklich gern tun möchte? In "Dinge geregelt kriegen" behaupten wir, prokrastiniert werde das, was man nicht gern tut. Das ist nicht so banal, wie es zunächst klingt. Einige Prokrastinationsbuchautoren aus dem eher therapeutischen Bereich behaupten, prokrastiniert werde nicht primär aus Abneigung, sondern aus allerhand komplizierten und nur durch Therapeuten auflösbaren Gründen. Die große Mehrheit aller Tätigkeiten von hoher Hinausschiebabilität ist aber tatsächlich allgemein als unangenehm anerkannt, und man braucht keinen teuren Therapeuten zur Identifikation dieses guten Prokrastinationsgrundes. Der von uns aus Ratlosigkeit unterschlagene Punkt ist aber, dass es einen kleinen Rest gar nicht schlimmer, ja, sogar ganz angenehmer Tätigkeiten gibt, mit denen anzufangen trotzdem nicht leicht ist.

Jetzt kommt uns die Kavallerie der Neurowissenschaften zu Hilfe und stellt fest, dass – zumindest bei Ratten – Wollen und Mögen vom Gehirn offenbar getrennt verwaltet werden und sich einzeln ein- und ausschalten lassen. Was wir wollen, muss also nicht das sein, was uns, wenn wir es haben, tatsächlich gefällt. Und was wir gern tun, muss nicht das sein, wozu wir einen starken Drang verspüren. Es würde mir gefallen, wenn diese Idee besser ausgearbeitet wäre, aber ich verspüre keinen großen Drang zum Weiterschreiben. Zum Glück hat Yvain bei lesswrong.com viel mehr dazu zu sagen.

19.03.2009 | 16:51 | Korrekturen und Ergänzungen | Berichte und Beispiele

Arztbesuch, später

Petra Thorbrietz schreibt bei carta.info über Falsche Diagnosen durch Technikglauben. Der Beitrag enthält mehrere beruhigende Informationen für Arztbesuch-Aufschieber, darunter diese: "Manchmal ist es ganz gut, Dinge auf die lange Bank zu schieben. Das zeigt sich in England, wo das staatliche Gesundheitssystem lange Wartezeiten vor eine Operation schiebt. Dort ist die Zahl der Rücken-OPs deutlich geringer als in Deutschland: 90 Prozent der Leiden nämlich haben sich innerhalb von 12 Monaten verflüchtigt, obwohl sie nicht behandelt wurden."

10.12.2008 | 20:07 | Korrekturen und Ergänzungen | Tipps und Tools | Presse und Medien

Diverses

Eine Buchrezension mit Prokrastinations-Erfahrungsbericht von Philipp Contag-Lada in den Stuttgarter Nachrichten.

Der Jurist Henry Greely und die Psychologin Barbara Sahakian fordern in Nature einen neuen Umgang mit "cognitive-enhancing drugs", Schwerpunkt Ritalin. (PDF, gefunden von Johannes Jander)

Mela Eckenfels weist uns auf diesen Comic hin und hat außerdem in ihrem Blog eine nützliche Liste von Anbietern lebensorganisierender Dienstleistungen veröffentlicht.

20.10.2008 | 11:48 | Korrekturen und Ergänzungen

Weltverbesserungsforderungen 21-24

Im Buch auf S.189 einzulegen.

21. Vertragskündigung sollte nicht komplizierter sein dürfen als Vertragsabschluss: Ist der Abschluss online mit zwei Klicks ohne Unterschrift möglich, darf die Kündigung auch nicht mehr als zwei Klicks (und vor allem kein Fax) erfordern.

22. Weg mit dem Rotgeld. Ich zitiere aus einem alten Riesenmaschinebeitrag: "Im fortschrittlichen Finnland wurde das unnütze Rotgeld gar nicht erst eingeführt, aber anderswo hat jeder Bürger wenige Jahre nach der Euroumstellung schon wieder geschätzte drei Schuhkartons mit Münzen zu Hause herumstehen. Die Bundesbank bezeichnet dieses Horten aus Mangel an Loswerdemöglichkeiten als Zwangssparen, und der dadurch aus dem Verkehr gezogene Kleingeldberg fehlt dem Staat so schmerzlich, dass 2004 bereits Kleingeld aus Österreich importiert werden musste." Übergangsweise könnte man wenigstens die Pfennigparade wieder einführen: Kinder, die von Tür zu Tür gehen und die Marmeladengläser mit dem Rotgeld für gute Zwecke leeren. Aber nicht vor zwölf Uhr!

23. Elektronische Rechnungen sollen auch ohne Unterschrift gültig sein. In Deutschland müssen Rechnungen "in Schriftform vorliegen" oder elektronisch signiert sein. Wilko Steinhagen schreibt in der Financial Times vom 17.10.: "Doch die Erstellung der Signaturen ist kompliziert. Unternehmen können sie nur mithilfe eines eigenen Signaturservers erstellen, der Prüfcodes online mit staatlich anerkannten Trust-Centern austauscht. Schon die Pflege eines solchen Servers ist für die IT-Abteilung nicht einfach. Jede Rechnung, die ein Unternehmen versehen mit einer Signatur zugesendet bekommt, muss außerdem durch technische Verfahren noch einmal verifiziert werden." Demselben Artikel kann man entnehmen, dass es in Großbritannien überhaupt kein Problem ist, Rechnungen als einfaches PDF zu schicken. Also bitte, Staat.

24. Bedingungsloses Grundeinkommen. Sascha wollte den Punkt sowieso ins Buch schreiben, ich war damals noch dagegen, weil Prokrastinierer jedes Fitzelchen Motivation brauchen, das sie kriegen können, und dazu gehört eben auch eine gemäßigte Existenznot. Nach der Lektüre von Christian Rickens' bildendem Buch "Links! Comeback eines Lebensgefühls" bin ich jetzt aber doch für das Grundeinkommen, und zwar schon allein aus Gründen der Bürokratievereinfachung.

19.10.2008 | 14:54 | Korrekturen und Ergänzungen | Presse und Medien

Noch mehr Rezensionen

Morgen geht es hier auch wieder weiter mit nützlichen Informationen zum Thema statt purer Selbstbeweihräucherung, aber heute muss ich erst meinen Rezensionsspeicher leeren:

Lasst uns öfter mal was Neues machen! (Christian Geyer, FAZ). Sascha machte Christian Geyer daraufhin auf der Buchmesse einen Heiratsantrag, aber Geyer ist bereits verheiratet.

Stefan Niggemeiers Rezension in der FAZ: "Ein bisschen trübt es den Lesegenuss natürlich, wenn man – wie ich – Sascha Lobo ganz gut persönlich kennt (er verbrachte viele Stunden kaffeetrinkend in meinem Büro und schob das Aufschieben eines Buches über das Aufschieben auf). Nach den vielen Seiten, wie man perfekt prokrastiniert, bleibt das Kapitel darüber, wie man mit anderen Prokrastinierern umgeht, enttäuschend vage. Bis Mitte August wollte Lobo ein Konzept für ein gemeinsames Projekt fertig haben. Aber bis morgen, sagt er, schaffe er es auf jeden Fall."

Bei zeitspuk.de kritisiert julian: "Zugegeben, ich hatte anderes erwartet. Ein bisschen mehr gesellschaftliche Relevanz etwa, schließlich sind so manche kulturelle Errungenschaften wie die Wikipedia das fast auschließliche Ergebnis von massenhafter Prokrastination." Das ist die erste Kritik, die schmerzt, denn natürlich hat julian vollkommen recht. Ich weiß auch nicht, wie wir ausgerechnet die Wikipedia zu erwähnen vergessen konnten, aber wir haben das in einigen Interviews seither nachgeholt.

Unsere schöne erste Amazonrezension von Christian Fischer: "Oh, ich wollte ja noch eine Rezension über das neue Buch von Sascha Lobo schreib". Zwei weitere Rezensionen sind inzwischen aufgetaucht, deren Autoren bereitwillig zugeben, das Buch gar nicht gelesen oder auch nur gekauft zu haben. So lange solche Rezensenten nicht unter drei Sterne vergeben, wollen wir darüber nicht klagen.

Und DieWucht twittert: "Schmerzensgeld von @kathrinpassig und @saschalobo wg. Nebenwirkungen ihres Buchs verlangen? Schlaflosigkeit und Zeug wegarbeiten 24h nonstop" Das macht jetzt (zusammen mit den beiden aus dem ersten Rezensionsüberblick) schon drei Leser, bei denen das Buch paradoxe Wirkungen zeitigt.

Außerdem: Lob der Lobos (Uwe Justus Wenzel, NZZ Online); Bleistift und Notiz-Blog

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