04.01.2010 | 23:02 | Korrekturen und Ergänzungen
Wir haben uns im Buch um eine entscheidende Frage gedrückt, die zum Glück auch in den nachfolgenden Interviews nur ganz selten gestellt wurde: Wieso ist es oft so schwer, das zu tun, was man eigentlich wirklich gern tun möchte? In "Dinge geregelt kriegen" behaupten wir, prokrastiniert werde das, was man nicht gern tut. Das ist nicht so banal, wie es zunächst klingt. Einige Prokrastinationsbuchautoren aus dem eher therapeutischen Bereich behaupten, prokrastiniert werde nicht primär aus Abneigung, sondern aus allerhand komplizierten und nur durch Therapeuten auflösbaren Gründen. Die große Mehrheit aller Tätigkeiten von hoher Hinausschiebabilität ist aber tatsächlich allgemein als unangenehm anerkannt, und man braucht keinen teuren Therapeuten zur Identifikation dieses guten Prokrastinationsgrundes. Der von uns aus Ratlosigkeit unterschlagene Punkt ist aber, dass es einen kleinen Rest gar nicht schlimmer, ja, sogar ganz angenehmer Tätigkeiten gibt, mit denen anzufangen trotzdem nicht leicht ist.
Jetzt kommt uns die Kavallerie der Neurowissenschaften zu Hilfe und stellt fest, dass – zumindest bei Ratten – Wollen und Mögen vom Gehirn offenbar getrennt verwaltet werden und sich einzeln ein- und ausschalten lassen. Was wir wollen, muss also nicht das sein, was uns, wenn wir es haben, tatsächlich gefällt. Und was wir gern tun, muss nicht das sein, wozu wir einen starken Drang verspüren. Es würde mir gefallen, wenn diese Idee besser ausgearbeitet wäre, aber ich verspüre keinen großen Drang zum Weiterschreiben. Zum Glück hat Yvain bei lesswrong.com viel mehr dazu zu sagen.
Kommentar #3 von Wunschmaschine:
Wo ist denn da die große Erkenntnis? Das vielgepriesene Wollen ist doch meist ferngesteuertes Müssen. Hinausschieben ist ein Vermeidungsakt, aber anders, als die Therapeuten meinen, ein richtiger, er beruht auf der unbewußten Erkennnis, daß wir nicht wirklich wollen. Wieviel wollten andere für uns es mal besser haben, mit 20 Kinder kriegen, Immobilien, tutti e quanti). Die meisten, die keine Kinder haben, wollen nie wirklich welche, das Haus macht nur Arbeit und ist später zu groß oder zu klein und die Reichen haben allenfalls weniger Geldsorgen, aber auch ihnen macht des der Clean-Service nicht recht oder an wen auch immer sie das Unangenehme delegieren. Echte Wünsche zu entwickeln ist schwieriger als man denkt, und noch schwieriger, damit zu leben, wenn sie halsüberkopf Wirklichkeit werden. Das Nicht-Erreichte ist angenehm, enttäuscht nicht, streßt weniger und braucht nicht mal vermißt zu werden, wenn man es nur richtig ins Auge faßt.
06.01.2010 / 16:22
Kommentar #4 von irgendwem:
Nee nee nee Du, es liegt nicht nur daran, dass wir nicht richtig wollen. Oder unsere Wünsche nicht explizit genug formulieren könnten. Diese Unterstellung bewegt sich etwa auf der Höhe von "Reiß dich doch mal zusammen!"
Therapeuten stehlen sich damit gerne aus der Verantwortung, dass man halt einfach nicht wirklich "gewollt" hätte. Und wenn man diese Behauptung schlüssig widerlegt hat kommen sie einem mit "Angst vor dem Erfolg".
Das ist schon richtig, das gibt es wirklich: Etwas zu wollen und trotzdem zu prokrastinieren. Dass das gewollte wirklich gewollt war merkt man auch daran, dass es einem leicht von der Hand geht – wenn man nur erst mal angefangen hat.
04.02.2011 / 17:33