22.09.2008 | 15:24 | Tipps und Tools

Prokrastination im Weltall

"Qualitativ hochwertiges Prokrastinieren ist nicht einfach. Der Zeitvertreib darf einerseits nicht zu stupide sein (Sand in Flaschen füllen und wieder ausleeren), andererseits auch nicht zu kompliziert (Space Shuttle zusammenbauen), und er soll Anstand und Würde besitzen (also nicht "HOT or NOT" o.ä.). Man möchte einen kompetitiven Anreiz haben, ausserdem sozial eingebunden sein und – das ist meist die grösste Hürde – man will sich einreden können, etwas Sinnvolles getan zu haben in den ganzen vertrödelten Tagen. Sonst kann man am Ende hinterher nicht schlafen, und wach im Bett liegen ist sehr schlechte Prokrastination (jedenfalls alleine). Dies als allgemeine Einleitung zum Zeittotschlagen."

So beginnt der Riesenmaschine-Beitrag "Nebenbei durchs Weltall" von Aleks Scholz, auf den wir hier anlässlich der gerade stattfindenden dotastronomy-Konferenz ("Conference on Networked Astronomy and the New Media") noch einmal hinweisen wollen. Im zweiten Teil des Beitrags erfährt man mehr über "die Optimallösung zur Vermeidung von richtiger Arbeit" unter Zuhilfenahme von Galaxien.

21.09.2008 | 16:47 | Blog und Buch

Catch-22

Sascha Lobo hat das Buch schon seit letzter Woche. Auch Rezensenten halten es offenbar schon in den Händen. Nur ich habe noch keines, und ich vermute, es hat mit einer von diesen nicht rechtzeitig zur Post gebrachten Benachrichtigungskarten zu tun. Soll ich mein eigenes Buch nicht zu sehen bekommen, nur wegen Prokrastination? Ist das gerecht?

Vermutlich ja.

21.09.2008 | 09:06 | Blog und Buch | Kategorie braucht noch einen Titel!

Nichts ist erledigt


Akademie der Künste, Berlin
Das Kapitel "Liegen und liegen lassen", nebenbei gesagt eines meiner Lieblings-, beginnt so: "'Niemals machen und doch bleibt nichts ungetan', heißt es im Daodejing, dem heiligen Text des Daoismus. Das zugrunde liegende Konzept nennt sich 'Wu Wei', Handeln durch Nichthandeln."

Das mag sich zunächst einmal seltsam anhören und ich kann versichern, es hört sich auch nach Wochen noch seltsam an. Aber wenn man sich intensiv mit dem Handeln durch Nichthandeln beschäftigt (geht auch im Liegen), beginnt man, dessen unendliche Weisheit zu ahnen. Es geht nämlich weniger um blosse Untätigkeit, so schön und nützlich die auch ist. Es geht vielmehr darum, dass es für alle Taten einen richtigen Zeitpunkt gibt (und damit auch viele falsche). Ist er erreicht, geht alles wie von allein von der Hand, mithin mühelos und Freude bereitend. Den weisen Warteweg bis dahin mögen Unwissende als 'Faulheit' bezeichnen. Wir Prokrastinisten hingegen, Laien des Daoismus, aber doch offen für fernöstliche Weisheit, ahnen, dass nicht nur bei Früchten, sondern auch bei Dingen, Aufgaben, Prozessen ein Reifeprozess von Nöten ist, der nur von aussen für den Kenntnisarmen aussieht wie Untätigkeit.

Es ist unwahrscheinlich, dass Klaus Staeck, der als Präsident der Akademie der Künste eine Klaus-Staeck-Retrospektive an die Berliner Akademie der Künste geholt hat, mit dem Titel "Nichts ist erledigt" auf die Kraft des Wu Wei angespielt hat. Als deutsche Mischung aus Fazit, Motto und Ausblick, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft taugt es aber gut, wenn man die resignativen Einsprengsel konsequent ausblendet: Wer sich mit dem Unfertigen, dem noch nicht Getanenen, dem Liegengebliebenen abfindet, wird genügend Energie haben, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten.

17.09.2008 | 02:10 | Korrekturen und Ergänzungen

Fitnessstudio Revisited

Es gibt im Buch ein Kapitel, in dem erklärt wird, warum es Unfug ist, ein Abo fürs Fitnessstudio abzuschließen. (Mal abgesehen davon, dass es normalerweise Unfug ist, überhaupt hinzugehen, aber auch das steht im Buch.) Wer ein Abo hat, lässt sich jedenfalls nicht etwa häufiger, sondern seltener auf dem Stairmaster blicken, das kann man hier nachlesen: Stefano DellaVigna, Ulrike Malmendier: "Paying Not to Go to the Gym", American Economic Review, Juni 2006, Band 96, S. 694-719, PDF-Version.

Wovon wir beim Schreiben noch nichts wussten: Die dänische Fitnessstudiokette "Equinox Fitness" bietet eine kostenlose Mitgliedschaft an, die erst dann Geld kostet, wenn man nicht hingeht. Wer das Angebot nicht mindestens einmal die Woche nutzt, muss den vollen Monatsbeitrag entrichten.

Na gut, bei mir würde das nicht funktionieren. Ich würde in der zweiten Woche vergessen, hinzugehen, dann wäre es in der dritten und vierten auch schon egal, und so weiter. Aber ich würde einen Besuch im Fitnessstudio sowieso frühestens dann erwägen, wenn man mich dafür bezahlt (so ab 50 Euro/Stunde). Und es würde mich nicht überraschen, wenn das dänische Motivationsmodell sich als etwas erfolgreicher erwiese als das herkömmliche. Interessant wäre dann allerdings die Frage der Auswirkungen auf die Motivation der Fitnessstudiobetreiber: Hört man auf, die Duschen zu putzen und spielt nur noch Operetten und japanische Noisemusik, damit die Kunden weniger gern erscheinen und mehr bezahlen?

15.09.2008 | 16:58 | Korrekturen und Ergänzungen | Tipps und Tools | Berichte und Beispiele

Only Disconnect

Es gibt diverse Tools da draußen, die einen vorübergehend vom Internet und anderen Ablenkungen trennen und so arbeitsfähig machen sollen: Freedom oder WriteRoom zum Beispiel. Das Problem dieser zunächst einleuchtenden Idee beschreibt "nostrademons" bei Hacker News:

"I've found that it never works long-term. Your habits just adjust to the new situation. Every year ('cept the last couple, when I've been working) I go on vacation for 2-3 weeks to my parents' summer cottage, where there is no Internet access, no cell reception, not even a touch-tone phone. I find that I'm super productive for about the first 3 days, and then I end up playing a lot of Hearts.

Without the different environment, the effect is even shorter-lived. I had a paper due once in college. Knowing that I wasn't about to do it, I handed my Ethernet cord to a friend and said 'Don't let me have this back until tomorrow.' And – as ridiculous as the article suggests it is – I sat at my desk doing absolutely nothing all night. Really. I was basically staring off into space the whole time.

The only thing that seems to work for me is to make whatever I'm working on significantly more fun than what I should be doing. So for example, I got a ton done on my startup between 3/15 and 4/10 because I said "Okay, I'll just put off my taxes until after my startup's in better shape." And then my taxes got done with no fuss because I was really burned out from all that coding, and filling out a few tax forms actually seemed more enjoyable than writing another line of code. This is another plus of living with parents: they give you chores, so you can say 'Yeah, I'll run to the post office for you, just let me finish this feature.'

BTW, I didn't quit watching TV by any conscious act of willpower; I quit because I got addicted to MMORPGs. And then I quit MMORPGs because I got addicted to Starcraft, and then I quit StarCraft because I got addicted to HP fanfiction, then I quit fandom because I got addicted to computer websites. A distraction never seems to go away until you find something to replace it with."


Falls jemand eine Übersetzung braucht, bitte Bescheid sagen.

15.09.2008 | 07:57 | Berichte und Beispiele

Das Aufmachen eines Briefes

18. Dezember. Wenn es nicht zweifellos wäre, daß der Grund dessen, daß ich Briefe (selbst solche voraussichtlich unbedeutenden Inhalts, wie eben jetzt einen) eine Zeitlang uneröffnet liegen lasse, nur Schwäche und Feigheit ist, die mit dem Aufmachen eines Briefes ebenso zögert, wie sie zögern würde, die Tür eines Zimmers zu öffnen, in dem ein Mensch vielleicht schon ungeduldig auf mich wartet, dann könnte man dieses Liegenlassen der Briefe noch viel besser mit Gründlichkeit erklären. Angenommen nämlich, ich sei ein gründlicher Mensch, so muß ich versuchen, alles möglichst auszudehnen, was den Brief betrifft, also ihn schon langsam öffnen, langsam und vielmals lesen, lange überlegen, mit vielen Konzepten die Reinschrift vorbereiten und schließlich noch mit dem Wegschicken zögern. Das alles liegt in meiner Macht, nur eben das plötzliche Bekommen des Briefes läßt sich nicht vermeiden. Nun, ich verlangsame auch das auf künstliche Weise, ich öffne ihn lange nicht. Er liegt auf dem Tisch vor mir, immerfort bietet er sich mir an, immerfort bekomme ich ihn, nehme ihn aber nicht.

Franz Kafka: Die Tagebücher (gefunden von Elpenor, Höfliche Paparazzi)

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