21.09.2008 | 09:06 | Blog und Buch | Kategorie braucht noch einen Titel!

Nichts ist erledigt


Akademie der Künste, Berlin
Das Kapitel "Liegen und liegen lassen", nebenbei gesagt eines meiner Lieblings-, beginnt so: "'Niemals machen und doch bleibt nichts ungetan', heißt es im Daodejing, dem heiligen Text des Daoismus. Das zugrunde liegende Konzept nennt sich 'Wu Wei', Handeln durch Nichthandeln."

Das mag sich zunächst einmal seltsam anhören und ich kann versichern, es hört sich auch nach Wochen noch seltsam an. Aber wenn man sich intensiv mit dem Handeln durch Nichthandeln beschäftigt (geht auch im Liegen), beginnt man, dessen unendliche Weisheit zu ahnen. Es geht nämlich weniger um blosse Untätigkeit, so schön und nützlich die auch ist. Es geht vielmehr darum, dass es für alle Taten einen richtigen Zeitpunkt gibt (und damit auch viele falsche). Ist er erreicht, geht alles wie von allein von der Hand, mithin mühelos und Freude bereitend. Den weisen Warteweg bis dahin mögen Unwissende als 'Faulheit' bezeichnen. Wir Prokrastinisten hingegen, Laien des Daoismus, aber doch offen für fernöstliche Weisheit, ahnen, dass nicht nur bei Früchten, sondern auch bei Dingen, Aufgaben, Prozessen ein Reifeprozess von Nöten ist, der nur von aussen für den Kenntnisarmen aussieht wie Untätigkeit.

Es ist unwahrscheinlich, dass Klaus Staeck, der als Präsident der Akademie der Künste eine Klaus-Staeck-Retrospektive an die Berliner Akademie der Künste geholt hat, mit dem Titel "Nichts ist erledigt" auf die Kraft des Wu Wei angespielt hat. Als deutsche Mischung aus Fazit, Motto und Ausblick, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft taugt es aber gut, wenn man die resignativen Einsprengsel konsequent ausblendet: Wer sich mit dem Unfertigen, dem noch nicht Getanenen, dem Liegengebliebenen abfindet, wird genügend Energie haben, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten.

Kommentar #1 von leonorka:

Endlich mal jemand, der das aufgreift, was ich schon lange versuche und manchmal auch schaffe! Sehr schön erklärt ist das im Bestseller von Theo Fischer: Wu Wei – Die Lebenskunst des Tao.

21.09.2008 / 12:44

Kommentar #2 von Petra (writingwoman):

Ach, 'Wu Wei' heißt das?
Ich hab es bisher immer 'Aussitzen' genannt *g*

21.09.2008 / 14:47

Kommentar #3 von Guido:

Dabei hab ich doch gerade etwas erledigt: Ich hab euer Buch vorbestellt :)

22.09.2008 / 16:43

Kommentar #4 von politik:

Dann war 'Wu wei' auch das politische Programm von Helmut Kohl in Kanzleramtszeiten. Vor wie während als auch nach allen Wahlperioden. Jetzt verstehe ich auch seine figürliche Annäherung an Buddha.

23.09.2008 / 11:54