11.01.2010 | 15:40 | Korrekturen und Ergänzungen
"Der zweite Grund, weshalb es solchen Haushalten so schwer fällt, die Arbeit von jemand anderem erledigen zu lassen, liegt in der Organisation selbst. Denn um Arbeit delegieren zu können, bedarf es nicht nur einer soliden Organisation, sondern auch der Fähigkeit, denjenigen, der die Arbeit übernimmt, nach den Prinzipien des eigenen Haushalts anzuleiten. Denn die delegierte Tätigkeit ist alles andere als eine unförmige Masse, die einfach nur übergeben werden muss und denjenigen, der sie übergibt, von jeder Verantwortung freistellt. Wenn die bereits bestehende Organisation auf regelmäßigen Automatismen beruht und nach klaren Prinzipien funktioniert, die auch explizit gemacht werden können, dann vollzieht sich diese Übergabe ohne große Reibungsverluste. Ist dies nicht der Fall, dann kann der Aufwand, den die Delegation erfordern würde, eher davon abschrecken, Arbeit abzugeben. Hier beobachten wir aufs neue, dass gerade denjenigen, die Hilfe am nötigsten hätten, nicht geholfen werden kann. Hausarbeit abzugeben setzt paradoxerweise voraus, dass man selbst bereits sehr gut weiß, wie sie zu machen ist. Noch mehr als die Scham ist das für Carole ein Hinderungsgrund dafür, das Weggeben bestimmter Aufgaben im Haushalt ernsthaft in Erwägung zu ziehen: 'Derzeit wäre ich zuhause gar nicht organisiert genug, um das machen zu können.' Sie kann sich also nicht so recht vorstellen, wie sie eine andere Person in ihr höchst improvisiertes System einbeziehen könnte: 'Im Moment wäre ich viel zu chaotisch, um jemandem sagen zu können, sie soll dies oder jenes machen. Da ich alles anfange, aber nie etwas wirklich zu Ende bringe, hätte die Arme sicher echte Schwierigkeiten, sich bei mir zurechtzufinden.'"
Ich glaube Kaufmann fast alles, und hier hat er sicher auch in Ansätzen recht. Aber es kommt mir so vor, als säße er im wesentlichen Punkt den Ausflüchten seiner Interviewpartnerinnen auf. Dafür spricht zumindest meine eigene Erfahrung mit dem ausgezeichneten Aufräum- und Putzmann Ingo, der in meiner Wohnung ohne weitere Instruktionen einfach das erledigt, was er für richtig hält. Das ist kein perfektes Verfahren, zum Beispiel wird niemals das Bad geputzt, dafür werden viel zu oft alle meine T-Shirts ordentlich gefaltet. Neulich warf er sogar die finnische Plastiktüte mit Mumintroll-Illustrationen weg. Aber insgesamt befindet sich die Wohnung nach seinen viel zu seltenen Besuchen in einem etwa 500 Prozent besseren Zustand als vorher. Wer wird da über Kleinigkeiten nörgeln wollen? Ich glaube deshalb nach wie vor, dass Scham der wichtigere Grund für das Nichtausderhandgeben von Arbeiten ist, die man selbst nicht bewältigt.
(Jean-Claude Kaufmann: "Mit Leib und Seele – Theorie der Haushaltstätigkeit", S. 120-121)
Kommentar #1 von Angela Leinen:
Scham und fehlendes Vertrauen in die Diskretion. Dabei ist es ganz egal, ob Putzmann oder -frau zu Hause von ihren haarsträubenden Erlebnissen in meiner Wohnung berichten: Es wird sich schon nicht in der ganzen Stadt herumsprechen.
11.01.2010 / 16:26
Kommentar #2 von tina:
Scham passt auch dazu, dass man selbst keine dezidierten Haushaltsprinzipien hat – da geben sich beide Argumentationsstränge den Besen in die Hand.
11.01.2010 / 22:03
Kommentar #3 von britta:
an dieser stelle möchte ich meine mutter zitieren: "ich muss noch saubermachen. die putzfrau kommt gleich." :)
20.01.2010 / 01:58